In dieser Dokumentation beschreiben wir, wie der Gottesdienst in unserer Gemeinde live übertragen wird. Die Übertragung erfolgt bei uns nicht öffentlich, sondern ist für Gemeindemitglieder und Freunde gedacht, die aus verschiedenen Gründen den Gottesdienst nicht besuche können, aber mit unserer Gemeinde verbunden sind. Voraussetzung dafür ist (neben der hier beschriebenen Austattung) ein eigener bzw. gemieteter Internet Server. Die Vorgehensweise lässt sich an verschiedene Anwendungsbereiche (also z.B. auch öffentlicher Livestream) anpassen.
> Während der Corona-Kriese 2020 erfolgte die Übertragung der Gottesdienste ausschliesslich online und wir bekamen sehr positives Feedback, dass dadurch die Verbundenheit miteinander erhalten blieb.
Als Kamera nutzen wir eine Canon LEGRIA HF R77. Das ist ein "normaler" Camcorder aus dem Heimvideo-Bereich. Wichtig ist hier ein HDMI-Ausgang, der das Live-Bild ausgibt und die Möglichkeit, den Camcorder auch ohne Aufnahme im Dauerbetrieb laufen zu lassen. Einige Camcorder schalten nach einer gewissen Zeit im Leerlauf ab. In diesem Fall könnte man aber auch einfach die Aufnahme aktivieren, sofern das Live-Bild trotzdem über den HDMI-Ausgang gesendet wird.
Der HDMI-Ausgang der Kamera ist zunächst mit einem sogenannten "HDMI-Audio-Inserter" verbunden. Wir verwenden das Modell HM-CV032K von SPEAKA. Wie der Name schon sagt, ist der Zweck dieses kleinen Kastens, ein externes Audiosignal in den HDMI-Datenstrom der Kamera einzufügen bzw. den Originalton der Kamera zu ersetzen. Natürlich könnte man auch den Ton der Kamera verwenden, wobei die Qualität dann aber deutlich geringer sein dürfte, als bei einem direkt vom Audiomischpult abgegriffenen Signal.
Wenn man den Ton der Kamera nicht verwenden möchte, ist auf jedan Fall das Einfügen des Audiosignals **vor** dem Encoder notwendig, um die Syncronität von Bild und Ton beizubehalten. Softwareseitig (im OBS-Studio) könnte man auch noch Tonspuren einfügen, die würden dann aber im fertigen Stream zeitversetzt vor dem Bild laufen, weil der Encoder den HDMI-Datenstrom leicht verzögert ausgibt.
> Neuere Encoder haben die Audio-Insert-Funktion bereits integriert und man kann das Audiosignal direkt in den Encoder einspeisen. Das von uns verwendete Modell ist eine Vorgängerversion der aktuellen Serie und besitzt keinen Audio-Eingang.
Obwohl man mit Hilfe eines HDMI-Grabbers (HDMI-Capture) den HDMI-Datenstrom direkt in den Computer übertragen, und dort im OBS-Studio den Ton dazu mischen könnte, haben wir uns aus verschiedenen Gründen für eine externe Lösung in Form eines IPTV-Encoders entschieden:
* Ein externes Gerät entlastet den Computer. In unserem Fall läuft darauf neben dem OBS-Studio auch noch [OpenLP](https://openlp.org) damit das Beamer-Bild in den Video-Stream integriert werden kann
* Der von uns verwendete Encoder [IRENIS ADE-264](https://www.blankom.de/ip-encoder-en/iptv-streamer-encoder-hdmi-cvbs-input-irenis-ade-264/) kann 2 Streams mit unterschiedlichen Auflösungen und Kompressionsraten erzeugen. Wir nutzen das, um einen Stream mit höherer Auflösung an einen Monitor in unserem Eltern-Kind-Raum zu senden. Der zweite Stream wird über das OBS-Studio an unseren Internet-Server geschickt.
Die Einstellungen des Audio-Mixers, der für die Beschallung unserer Gottesdienste verwendet wird, entsprechen in den meisten Fällen nicht denen, die für eine Aufnahme bzw. Übertragung notwendig sind. Das reicht von unterschiedlichen Lautstärkeverhältnissen zwischen Musik und Sprache bis zu den Klang- und Dynamikeinstellungen der einzelnen Kanäle. Neuere und größere Digital-Mischpulte, wie das von und verwendete [Soundcraft Si Impact](https://www.soundcraft.com/products/si-impact) bieten die Möglichkeit, einen Sub-Mix zu erstellen und an seperate Ausgänge zu legen. Weil das ziemlich komplexe Einstellungen sind und unerfahrene Techniker schnell an ihre Grenzen bringt, verwenden wir ein zusätzliches kleines Digital-Mischpult für den Video-Ton.
Das [Soundcraft Ui12](https://www.soundcraft.com/en-US/products/ui12) ist sehr kompakt und wird über eine Netzwerkverbindung mit einem Browser bedient. Das hat natürlich auch den Vorteil, dass man die Einstellungen z.B. vom Eltern-Kind Übertragungsraum aus vornehmen kann und so eine direkte Kontrolle des Ergebnisses hat. In der aktuellen Einstellung wird das Summen-Signal vom "großen Bruder" und zusätzlich noch einmal der Mikrofonkanal vom Rednerpult eingespeist. Die Lautstärke des Mikrofonkanals wird mit Hilfe der Dynamik-Effekte (Kompressor/Limiter/Gate) angepasst. Als weitere "Ausbaustufe" wären z.B. zusätzliche Raum-Mikrofone denkbar, die das Live-Empfinden der Zuschauer verbessern, da die ganze Raumakustik (Gemeindegesang,...) mit eingefangen wird.
Als PC verwenden wir einen handelsüblichen Büro-Computer mit [Ubuntu](https://ubuntu.com/) als Betriebssysthem. Wichtig ist hier, dass der Computer über ausreichend Leistung verfügt, um Lieder und Multimedia-Inhalte mit [OpenLP](https://openlp.org) am Beamer anzuzeigen und gleichzeitig den Video-Stream mit [OBS-Studio](https://obsproject.com/) an den Server zu senden. Das Video-Signal wird hierbei teilweise mit dem Beamer-Bild überlagert und muss demzufolge noch einmal neu encodiert werden (ein Intel i3 mit 8GB Ram ist hier bereits ausreichend).
Für die bereitstellung des Video-Live-Streams über das Internet verwenden wir einen gemieteten root-Server. Die detailierte Beschreibung der Einrichtung des Servers würde hier zu weit führen. Wer einen eigenen Server betreibt, sollte auf jeden Fall über ausreichende Kenntnisse in diesem Bereich verfügen. Die erforderliche Leistung des Servers hängt von der Anzahl der gleichzeitigen Zuschauer des Live-Streams ab. Neben der reinen Prozessorleistung bzw. Arbeitsspeichergröße, ist dabei auch die Netzwerk-Last zu beachten. In unserer ersten Installation hatte ein root-Server mit 2 Kernen und 8GB Ram bei 48 Clients etwa 35% CPU-Last. Im Downstream (Server zu Clients) lagen ca. 80 MBit/s an. Vereinzelt haben Zuschauer von stockendem Bild und Ton berichtet, wobei für uns nicht eindeutig klar ist, ob das Problem beim Server oder bei den Clients lag.
Der [MistServer](https://mistserver.org/) ist eine OpenSource Software, mit deren Hilfe man sehr einfach und komfortabel einen Video-Stream im Internet zur Verfügung stellen kann. Die Installation der OpenSource-Version ist unter [https://mistserver.org/download](https://mistserver.org/download) beschrieben und mit einer Zeile auf der Linux-Konsole erledigt:
> Achtung! Nach dem Ausführen des Befehls startet der MistServer automatisch und ist ungesichert über den Port 4242 erreichbar (wenn keine Firewall aktiv ist)!
Die Ports 4242 und 8080 müssen nicht freigegeben werden, wenn vor dem MistServer noch ein anderer Wabserver (wie z.B. Apache) als ReverseProxy eingerichtet ist.
> Leider ist das Management-Interface in der OpenSource-Version nur unverschlüsselt über `http` erreichbar. Wenn man Port 4242 in der Firewall sperrt und einen den Webserver als ReverseProxy konfiguriert, funktioniert auch `https`. Wir haben aber festgestellt, dass dann das Management-Interface ohne Anmeldung auch von anderen Clients aus erreichbar war. Laut MistServer-Support funktioniert der Zugriff von `localhost` aus immer ohne Anmeldung. Und genau das macht ja der Proxy: er übersetzt die externe Anfrage nach `localhost:4242`. Aus diesem Grund haben wir in der Webserver-Konfiguration eine zusätzliche Authentifizierung eingerichtet.
Mit diesen Einstellungen ist das Management-Interface vom MistServer nur noch über `https://video.domain.tld/admin` erreichbar und die Video-Streams unter `http://video.domain.tld/<Streamnummer>.html`. RTMP läuft weiterhin über Port 1935 und mit einem entsprechenden Programm (wie z.B. VLC-Player) können die Streams auch unter `rtmp://video.domain.tld:1935/play/<Streamnummer>` angesehen werden.
Wenn man nach der Installation des MistServers das erste mal die Webseite des Management-Interfacees startet, wird man aufgefordert, einen Benutzernamen und ein Passwort zu vergeben.
![MistServer LogIn](bilder/ms_login.jpg)
Im nächsten Schritt werden alle Standard-Protokolle aktiviert.
Für die Einrichtung des Live-Streams sind im MistServer nur zwei Einträge notwendig: der Streamname und die Quelle. Da es in der OpenSource-Version keine Möglichkeit gibt, den Stream mit einem Passwort zu schützen, hat man nur die Möglichkeit, den Streamnamen so zu wählen, dass er nicht zu erraten ist. Mit dem folgenden Befehl kann man auf der Linux-Konsole eine zufällige Zeichenfolge generieren, die dann als Streamname verwendet wird:
In diesem Fall wird eine 23-stellige Zeichenfolge gebildet. Die Adresse für den Live-Stream wäre dann `https://video.domain.tld/vdtj0hu5n8o_29iyrzyh0ly.html` und damit nahezu unmöglich für nicht authorisierte Zuschauer erreichbar. Natürlich muss diese Adresse dann allen authorisierten Zuschauern zugänglich gemacht werden (E-Mail, Messanger,...).
In einigen Fällen wurde uns von Unterbrechungen im Live-Stream berichtet, wenn über die gesicherte https-Verbindung zugeschaut wurde. Wir haben daher vorerst Port 8080 in der Firewall offen gelassen, damit auch noch über den unverschlüsselten Link `http://video.domain.tld:8080/vdtj0hu5n8o_29iyrzyh0ly.html` zugeschaut werden kann.
Das OBS-Studio ist eine ziemlich geniale OpenSource Software, mit der man sehr leicht Multimedia-Inhalte über das Internet streamen kann. Hier wird nur ein kleiner Ausschnitt der Funktionalität beschrieben. Unter Ubuntu kann man das Programm mit folgenden Befehlen installieren (für andere Betriebssysteme ist das unter [https://obsproject.com/wiki/install-instructions](https://obsproject.com/wiki/install-instructions) beschrieben):
Im Bereich "Video" wird die Ausgabeauflösung eingestellt. Die Basisauflösung im OBS-Studio kann eine andere Auflösung haben, dann wird die Ausgabe skaliert. Wir haben in beiden Fällen die Auflösung des Eingangs-Signals (960x540) gewählt. Das ist für uns ein guter Kompromiss zwischen Bildqualität und Datenmenge.
Bei der "Ausgabe" haben wir nur die Bitrate angepasst. Hier ist zu beachten, dass neben der Upload-Kapazität des Internetanschlusses, von dem aus gestreamt wird, auch die Server-Kapazität eine Rolle spielt. In disere [MistServer-Dokumetation]() gibt es zwei Formularen, mit deren Hilfe man entweder die nötige Server-Kapazität anhand der gewünschten Streaming-Parameter (Anzahl Streams, Bitrate, Anzahl Zuschauer) oder die mögliche Zuschauer-Anzahl anhand der Server-Parameter (CPU, RAM, HDD, Bandbreite) ermitteln kann. Viele Provider drosseln die Verbindungsgeschwindigkeit, wenn über einen gewissen Zeitraum zu viele Daten übertragen werden. Daher sollte man bei der Bitrate nicht zu hoch gehen. Aus unserer Erfahrung sind 700KBit/s ein guter Wert für einen günstigen root-Server mit bis zu 50 Zuschauern (bzw. angeschlossenen Geräten).
Bei den "Stream" Einstellungen wird zunächst als Plattform "Benutzerdefiniert..." ausgewählt. Danach müssen die Daten aus den MistServer Stream-Einstellungen eingefügt werden. Server wäre in dem Fall `rtmp://video.domain.tld/live` und als Key wird der Streamname eingetragen `vdtj0hu5n8o_29iyrzyh0ly`.